Förderung der Sprachlernbewusstheit der Lernenden auf der Sekundarstufe II im Rahmen der Mehrsprachigkeitsdidaktik
Promovendin: Pauline Lapaque
Keywords: Sprachlernbewusstheit, Lernstrategien, integrative Mehrsprachigkeitsdidaktik, Tertiärspracherwerb
Gutachtende: Herr Prof. Dr. Giuseppe Manno, Frau Prof. Dr. Elena Makarova
Projektbeginn: HS 2022
Abstract
Die geplante Dissertation findet im Rahmen des SNF-Projekts „Mehrsprachigkeitsdidaktik im Französischunterricht der Schweizer Gymnasialstufe (Sekundarstufe II) durch Professionalisierung von Lehrpersonen. Eine Interventionsstudie zur Wirksamkeit von sprachenübergreifenden Unterrichtseinheiten” (Beitrag Nr. 100019_205020 / 1) statt. Es handelt sich um eine Forschungskooperation der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, unter der Leitung von Prof. Dr. habil. Giuseppe Manno (Hauptgesuchsteller) sowie Frau Dr. Sybille Heinzmann (weitere Gesuchstellerin).
Die Dissertation soll einen Beitrag zur Diskussion um die Sprachlernbewusstheit leisten. Unter diesem Begriff versteht man die Bewusstheit über den eigenen Fremdsprachenlernprozess und das Wissen darüber, wie der eigene Lernprozess effizienter gestaltet werden kann (Neuner, 22005: 25). Es geht darum zu untersuchen, wie die Lernenden ihren Sprachlernprozess reflektieren und evaluieren, um eine neue Sprache eigenverantwortlich lernen zu können (Michler, 2015: 148). Dabei wird die Entwicklung der Reflexion und Metakognition auf der Ebene der Lernenden analysiert.
In der Forschung besteht Einigkeit über den Nutzen der Förderung der Sprachlernbewusstheit (z.B. Rampillon 22005, Kursiša 2012, Hutterli 2012, Martinez 62016). Dennoch ist die methodische Erforschung des Konzeptes anspruchsvoll, denn es handelt sich hier um einen nicht beobachtbaren kognitiven Prozess (Marx 2005, Karpińska-Szaj/Zając 2012). Die metakognitiven Prozesse können nur indirekt über die Einsetzung von konkreten Strategien zur Aufgabenlösungen und/oder Introspektion nachgewiesen werden. Allgemein liegen wenige Erkenntnisse über den Einfluss von Sprachlernbewusstheit auf die Anwendung von Sprachlern- und Sprachverwendungsstrategien bei den Lernenden sowie auf die Lernprogression vor (vgl. Missler 1999, 2000; Ender, 2007; Manno/Le Pape Racine, 2020; Haukås, 2015). Abgesehen von der Studie von Haukås (2015) fehlen weitgehend Studien zur Sprachlernbewusstheit auf der Sekundarstufe II.
Meine Forschungsfrage ist die folgende: „Welche Auswirkungen hat die Intervention bestehend aus einer kollaborativen Weiterbildung von Lehrpersonen 1 (Teil 1) und der Umsetzung von mehrspachigkeitsdidaktischen Aktivitäten im Unterricht (Teil 2) auf die Sprachlernbewusstheit der Gymnasiast*innen?”.
Im Zuge des SNF-Projekts werden ca. 30 Klassen der 10. Klasse in der Interventionsgruppe (N = ca. 600) und weitere 20 Klassen in der Kontrollgruppe (N = ca. 400) erfasst. Das im Projekt angewendete Forschungsdesign ist ein quasi-experimentelles pre-test / post-test Design. Es handelt sich dabei um eine 4-jährige, experimentelle Längsschnittstudiemit mixed-methods design, welche quantitative und qualitative Instrumente kombiniert. Die Studie besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (September 2022 - Dezember 2023) werden Messinstrumente anderer Studien für unsere Zwecke angepasst und anschliessend pilotiert (1. Projektjahr). Gleichzeitig wird eine kollaborative Weiterbildung der Lehrkräfte für Französisch als Fremdsprache, welche die Basis für die umzusetzende Intervention darstellt, konzipiert und durchgeführt (1. Semester des 10. Schuljahres, Herbst 2023). Im zweiten Projektteil werden mehrsprachigkeitsdidaktische Module ein Semester lang in den Gymnasialklassen (2. Semester des 10. Schuljahres) von den Lehrkräften umgesetzt und vom Forschungsteam wissenschaftlich begleitet. Anschliessend werden die erhobenen Daten ausgewertet. Die Phase der Durchführung und der wissenschaftlichen Begleitung der Intervention sowie der Auswertung der Daten wird zwischen Januar 2024 und August 2026 stattfinden.
In der quantitativen Studie werden die Sprachlernbewusstheit der Lernenden anhand eines zu den Zwecken der Studie angepassten SILL-Fragebogens (Oxford 1990) untersucht. Dabei wird die Bewusstheit der Lernenden über ihre Strategieverwendung mittels Selbstbeurteilung erfasst. Die Fragebogen werden online eingesetzt, um Daten bezüglich der Sprachlernbewusstheit vor dem Beginn der kollaborativen Weiterbildung, kurz nach sowie ein halbes Jahr nach der Umsetzung der sprachenübergreifenden Unterrichtseinheiten im Unterricht zu erheben. Mit dem delayed post-test wird geprüft, ob allfällige Effekte der Intervention nachhaltig sind und wird nur in der Interventionsgruppe durchgeführt. Die erhobenen Daten werden statistisch ausgewertet (SPSS).
In der qualitativen Studie wird die Sprachlernbewusstheit der Gymnasiast*innen mittels einer kurzen computergestützten Retrospektion nach einem Hör- und Schreibtest untersucht. Diese Daten werden durch ein inhaltsanalytisches Verfahren ausgewertet. Die schriftlichen Rückmeldungen der Lernenden zu ihrem Strategieeinsatz beim Bearbeiten der Kompetenztests, die anhand einer Retrospektion erhoben werden, werden ebenfalls mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) anhand eines gemischten Ansatzes (deduktiv und induktiv) analysiert. Um die Auswirkungen der Intervention auf die Sprachlernbewusstheit der Schüler*innen zu analysieren, werden Regressionsmodelle unter Berücksichtigung der Mehrebene-struktur berechnet. Dabei werden demographische Hintergrundvariablen, Werte aus dem pre-test sowie auch Werte aus den Unterrichtsbeobachtungen als Kontrollvariablen verwendet. Damit soll gezeigt werden, dass die Sprachlernbewusstheit bei den Lernenden aus der Interventionsgruppe stärker ist, da sie dank der Umsetzung von mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten gelernt haben, gezielt auf ihr sprachliches und strategisches Vorwissen zurückzugreifen sowie über ihren Sprachlernprozess nachzudenken.
Literatur
Ender, A. (2007): Wortschatzerwerb und Strategieeinsatz bei mehrsprachigen Lernenden. Aktivierung von Wissen und erfolgreiche Verknüpfung beim Lesen auf Verständnis in einer Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider.
Haukås, Å. (2015): „A Comparison of L2 and L3 Learners’ Strategy Use in School Settings“. Canadian modern language review 71/4, 383-405.
Hutterli, S. (2012, Hrsg.): Koordination des Sprachunterrichts in der Schweiz. Aktueller Stand – Entwicklungen – Ausblick. Bern: Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).
Karpińska-Szaj, K./Zając, J (2012): „Les activités métacognitives de l’apprenant en langues étrangères en tant qu’objet de recherche. Défis et problèmes méthodologiques“. Synergies Pologne n°9, 21-35.
Kursiša, A. (2012): Arbeit mit Lesetexten im schulischen Anfangsunterricht DaFnE. Eine Annäherung an Tertiärsprachenlehr- und -lernverfahren anhand Subjektiver Theorien der Schülerinnen und Schüler. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Manno, G./Le Pape Racine, C. (2020): „Die Erschliessung unbekannter Wörter: Strategien beim Lesen von Texten in den schulisch geförderten Fremdsprachen am Ende des 7. Schuljahre“. In: Manno, G./Egli Cuenat, M./Le Pape Racine, C./Brühwiler, C. (Hrsg.): Schulischer Mehrsprachen-erwerb am Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I. Münster: Waxmann Verlag, 153-177.
Martinez, H. (62016): „Lernerstrategien und Lerntechniken“. In Bausch, K.-R./Christ, H./Krumm, H.-J. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht (6., neu bearbeitete Aufl). Tübingen/Basel: Francke, 372-376.
Marx, N. (2005): Hörverstehensleistungen im Deutschen als Tertiärsprache: zum Nutzen eines Sensibilisierungsunterrichts in „DaFnE“. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Michler, C. (2015): Einführung in die Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen. Bam-berg: University of Bamberg Press.
Missler, B. (1999): Fremdsprachenlehrerfahrungen und Lernstrategien. Eine empirische Untersuchung. Tübingen: Stauffenburg.
Missler, B. (2000): „Previous Experience of Foreign Language Learning and its Contribution to the Development of Learning Strategies“. In: Dentler, S./Hufeisen, B./Lindemann, B. (Hrsg.): Tertiär- und Drittsprachen. Projekte und empirische Berichte. Tübingen: Stauffenburg, 7-21.
Neuner, G. (22005): „Mehrsprachigkeitskonzept und Tertiärsprachendidaktik“. In: Hufeisen, B./ Neuner, G. (Hrsg.): Mehrsprachigkeitskonzept – Tertiärsprachen – Deutsch nach Englisch. Strassburg: Council of Europe Publishing, 13-34.
Oxford, R. L. (1990): Language Learning Strategies. What Every Teacher Should Know. New York: Newbury House.
Rampillon, U. (22005): „Lernstrategisches Minimalprofil an der Schwelle von L2 zu L3“. In: Hufeisen, B./Neuner, G. (Hrsg.): Mehrsprachigkeitskonzept – Tertiärsprachenlernen –Deutsch nach Eng-lisch. Graz/München: Council of Europe/ECML, 85-103.