Individuelle und kontextuelle Bedingungen verschiedener Facetten von Schnupperlehrberufen

Promovend: Jan Hofmann, jan.hofmann@fhnw.ch
Keywords: Schnupperlehre, Berufswahlpraktikum, Geschlechtstypik, sozialer Status, Kompetenzanforderungen
Gutachtende:
Prof. Dr. P. Markus Neuenschwander, Prof. Dr. Elena Makarova
Laufzeit:
HS 2018 – HS 2022

Theoretische Verankerung und Vorhaben
Dieses Promotionsvorhaben beschäftigt sich mit den verschiedenen Facetten jener Berufe, welche die Jugendlichen im Rahmen ihrer Berufs- und Ausbildungswahl in Schnupperlehren ausprobieren. Das Forschungsinteresse richtet sich dabei speziell auf die individuellen und kontextuellen Bedingungen, welche die verschiedenen Facetten der Schnupperlehrberufe vorhersagen. Untersucht werden unter anderem die Geschlechtstypik, der soziale Status bzw. das Prestige sowie die Kompetenzanforderungen jener Berufe, die während der Berufswahl erprobt werden. Das Vorhaben stützt sich auf die sozial-kognitive Laufbahntheorie von Lent, Brown und Hackett (1994). In dieser Theorie spielen choice actions, also Berufswahlhandlungen wie zum Beispiel das Ausüben von Schnupperlehren oder Berufswahlpraktika, eine wichtige Rolle. Ausgehend von Zielen und Erwartungen vollziehen Jugendliche Schnupperlehren und Praktika in Berufen mit unterschiedlichen Profilen im Hinblick auf deren Geschlechtstypik, Prestige oder Kompetenzanforderungen. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und Ergebniserwartungen bestimmen die Charakteristika dieser Berufe einerseits direkt, andererseits über ihren Einfluss auf die Entwicklung der vorgelagerten beruflichen Ziele und Erwartungen. Personenmerkmale wie das Geschlecht oder der sozioökonomische Status haben ebenfalls einen Einfluss auf die Facetten der Schnupperlehrberufe. Bezugspersonen aus dem sozialen Kontext wirken auf all diese Aspekte auf der individuellen Ebene ein und unterstützen oder hindern den/die Jugendliche in seinem/ihrem Handeln.

Forschungsfrage
In einer kumulativ ausgelegten Arbeit soll folgende Forschungsfrage leitend sein:

Inwiefern lassen sich die verschiedenen Facetten der Schnupperlehrberufe durch berufliche Ziele und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Jugendlichen sowie durch unterstützende Handlungen seitens der Bezugspersonen (z. B. Eltern, Lehrpersonen, berufliche Vorbilder) vorhersagen?

Materialgrundlage und Feldzugang
Dieses Promotionsvorhaben wird mit Daten der beiden Längsschnittsstudien WiSel I («Wirkungen der Selektion») und WiSel II («Institutionelle und kontextuelle Bedingungen der Berufsfindung und des Eintritts in die berufliche Grundbildung») durchgeführt. WiSel I und II umfassen zusammen fünf Erhebungswellen. Die Daten der Wellen 1 bis 4 wurden jeweils am Ende des 5., 6., 7. und 9. Schuljahres erhoben. Welle 5 wurde am Ende des ersten Jahres der nachobligatorischen Ausbildung durchgeführt. Befragt wurden die Schülerinnen und Schüler (Welle 1-5), deren Eltern (Welle 1-3) und Lehrpersonen (Welle 1-3). Für die Untersuchung wurden Klassen des 5. Schuljahres aus Schulen der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Bern und Luzern angefragt. Die Teilnehmerzahlen über alle fünf Wellen liegt durchschnittlich bei rund 1685 Jugendlichen. Für die Umsetzung des geplanten Promotionsvorhabens werden hauptsächlich die Angaben aus den Wellen 3 und 4 verwendet (Längsschnittsample: 698 Personen).

Methoden für Datenerhebung und -auswertung
Die Daten der beiden Forschungsprojekte WiSel I und WiSel II wurden anhand von standardisierten Papier- und Online-Fragebogen, standardisierten Tests und CATI-Befragungen erhoben. Die formulierten Forschungsfragestellungen werden anhand von Strukturgleichungsmodellen und Regressionsanalysen untersucht.

Erwarteter Gewinn der Arbeit
Berufswahlbezogene (Probe-)Handlungen wie das Ausüben von Schnupperlehren und Berufswahlpraktika stellen in der Berufswahlforschung ein Forschungsdesiderat dar. Dies ist problematisch, dienen Probehandlungen den Jugendlichen doch als ein wichtiges Instrument in ihrem beruflichen Entscheidungsprozess. Mit der Dissertationsarbeit wird beabsichtigt, diese bestehende Forschungslücke im Hinblick auf Berufsmerkmale von Schnupperlehren zu minimieren. Mit der Betrachtung bestimmter Merkmale von Schnupperlehr- und Praktikaberufen können ausserdem verschiedene Problemstellungen angegangen werden. Die Analyse der Geschlechtstypik der Schnupperlehrberufe kann einen wichtigen Beitrag im Hinblick auf die geschlechtersegregierte Berufs- und Ausbildungswahl liefern. Die Auseinandersetzung mit dem sozialen Status bzw. Prestige ermöglicht es, wichtige Erkenntnisse zu einem Dauerthema der Sozialwissenschaften zu liefern: der Reproduktion des sozialen Status. Und die Erforschung der Kompetenzanforderungen der Schnupperlehrberufe bzw. der Bedingungen, dass Jugendliche Berufe mit eher höherem oder tieferem Anforderungsniveau ausprobieren, bildet den Versuch ab, die Rolle schulischer Kompetenzen für die beruflichen Kompetenzanforderungen abzuklären. Grundsätzlich geht es nicht zuletzt auch darum, mit der Erforschung erster berufspraktischer Erfahrungen empirisches Wissen zu berufswahlbezogenen (Probe-)Handlungen zu generieren und nützliche Implikationen für die Praxis abzuleiten.

Literatur
Lent, R. W., Brown, S. D., & Hackett, G. (1994). Toward a unifying social cognitive theory of career and academic interest, choice, and performance. Journal of Vocational Behavior, 45(1), 79–122. doi:10.1006/jvbe.1994.1027