Vorbildliche Dialoge - Förderung mathematikspezifischer kommunikativer Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern („VoDiMath“)
Promovendin: Selina Pfenniger
Keywords: Mathematikdidaktik, Sprache im Mathematikunterricht
Gutachtende: Prof. Dr. Helmut Linneweber-Lammerskitten (PH FHNW), Prof. Dr. Kathleen Philipp (PH FHNW), Prof. Dr. Jiří Černý (Universität Basel), Prof. Dr. Barbara Schmidt-Thieme (Universität Hildesheim)
Projektbeginn: HS 2019
Mit diesem Promotionsprojekt soll ein Beitrag zur Förderung der mündlichen Kommunikationskompetenz von Schülerinnen und Schülern im Mathematikunterricht der Sekundarstufe 1 geleistet werden. Sprach-/Kommunikationskompetenz im Fach ist in dreifacher Hinsicht wichtig: sie ist Voraussetzung für die Teilhabe am Unterricht, für die Erreichung fachlicher Lernziele und für die Teilhabe an einer durch MINT geprägten Welt (vgl. Linneweber-Lammerskitten, 2014). Die Förderung sprachlicher Kompetenzen rückte deshalb in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der mathematikdidaktischen Forschung. Gleichwohl bestehen noch Forschungslücken, insbesondere mit Bezug auf die Sekundarstufe I und auf sprachlich-kommunikative Kompetenzen, die es den Lernenden ermöglichen, sich mit anderen Lernenden über mathematische Inhalte zu verständigen und gemeinsam Mathematik zu treiben.
Fragestellungen:
Können mathematikspezifische kommunikative Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern mit Hilfe einer Intervention auf der Grundlage „vorbildlicher Dialoge“ („VoDiMath“) so gefördert werden, dass die fachsprachliche Qualität ihrer Diskurse zunimmt?
- Welche Funktionen soll der sprachliche Diskurs in Schülerkleingruppen in einer spezifischen Unterrichtssituation erfüllen?
- Wie erfüllen sprachliche Diskurse in Schülerkleingruppen funktionale Anforderungen in bestimmten Situationen?
- Können mathematikspezifische kommunikative Kompetenzen so gefördert werden, dass die fachsprachliche Qualität ihrer Diskurse zunimmt?
Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines praxisorientierten Instruments, mit dem sprachliche Ausdrucksformen gezielt und wissenschaftlich gestützt gefördert und die Ergebnisse evaluiert werden können. Das Instrument basiert einerseits auf einer funktionalen Betrachtung der Sprache, welche die Beschreibung der geeigneten Redehandlungen ermöglicht und anderseits auf dem Lernen am Modell zur Einführung und Erweiterung der Sprachkompetenzen.
Zur Förderung der fachsprachlichen Fähigkeiten beim Austausch in Schülergruppen zu einem mathematischen Inhalt werden Ziele formuliert. An diesen orientieren sich Beispiele idealer Diskurse, welche die Kommunikation unter den Lernenden anregen und verbessern sollen. Die Schülerinnen und Schüler können geeignete Redehandlungen aus den idealen Dialogen adaptieren und eine analoge sprachliche Varietät nutzen. Dazu wird ein Konzept für das Lernen am Modell erstellt. Basis des Interventionskonzepts sind produktionsorientierte, eigenverantwortliche und kooperative Lehr- und Lernmethoden unterstützt durch digitale Medien, wie sie bereits in der Masterarbeit (vgl. Pfenniger, 2018) eingesetzt wurden.
Der theoretische Zugang zu diesem Ziel erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise. Mathematik, Mathematikdidaktik und Fachsprachenlinguistik müssen zur Konzeption der Sprachförderung ihren Beitrag leisten. Um die Struktur des Denkgegenstandes zu erfassen, der Anlass der kognitiven Aktivität ist und auf dem der sprachliche Ausdruck basiert, dient die Fachwissenschaft Mathematik. Damit kann der Verbindung von Kognition und Sprache (vgl. Vollmer, 2011) Rechnung getragen werden und die Sprache steht im Dienste der Erkenntnisfunktion. (Schmidt-Thieme, 2010, S. 278-280) Die Mathematikdidaktik hält zwei Kategorien von Modellen bereit, bei denen die Darstellungs- und Vermittlungsfunktion der Sprache im Zentrum steht (ebd.). Die erste legt die erforderlichen Fähigkeiten durch Kompetenzmodelle und die Formulierung von Kompetenzzielen fest. Die zweite beschreibt die Spezifika der im Mathematikunterricht vorkommenden Textsorten und Kommunikationsmuster. Mit der Fachsprachenlinguistik kann die Sprache in Abhängigkeit von der Kommunikationssituation, den Beteiligten und dem fachlichen Gegenstand gefasst werden (Schmidt-Thieme, 2010, S. 286). Dabei können beide Forschungstraditionen, die Pragmalinguistik und die systemisch-funktionale Linguistik der theoretischen Fundierung dienen (vgl. Jörissen, 2013, S. 91-94;105-108). Die Verknüpfung dieser drei theoretischen Ansätze erlaubt es, Ziele für die fachsprachlichen Fähigkeiten im Mathematikunterricht zu formulieren, diese in Abhängigkeit von der unterrichtlichen Situation und dem Lerngegenstand zu konkretisieren und deren Erreichung mit linguistischen Methoden zu überprüfen.
Lerntheoretische Modelle werden beigezogen um die Förderung kommunikativer Kompetenzen mit Hilfe der idealen Dialoge umzusetzen. Das Lernen, Erweitern und Anwenden eines sprachlichen Repertoires ereignet sich eingebunden in eine soziale Situation, unter der Bedingung, dass ein geeignetes Modell vorhanden ist. Es werden deshalb Theorien berücksichtigt, die ein Lernen am Modell (vgl. Bandura, 1976) und dessen kontrollierte Übernahme ermöglichen.
Die Studie wird als Interventionsstudie konzipiert. Videografien vor und nach der Intervention dokumentieren hauptsächlich die Veränderung in den mathematikspezifischen kommunikativen Kompetenzen. Ein Nachtest wird in Erwägung gezogen. Eine weitere Datenbasis bilden die Schülerprodukte, die während des Lernprozesses durch die Aufgabenbearbeitung entstehen. Für die Auswertung der Daten werden die Gespräche aus den Videoaufzeichnungen transkribiert und die Veränderung der mathematikspezifischen kommunikativen Kompetenzen mit gesprächsanalytischen Methoden erfasst und ausgewertet. Für die Analyse aus funktionaler Perspektive werden die Redehandlungen und linguistischen Textmerkmale erfasst.
Literatur:
Bandura, A. (1976). Die Analyse von Modellierungsprozessen. In A. Bandura, Lernen am Modell (S. 9-67). Stuttgart: Klett.
Jörissen, S. (2013). Mathematik multimodal. Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung kommunikativer Verfahren im Hochschulunterricht. Münster: Waxmann.
Linneweber-Lammerskitten, H. (2014). Darstellen und Kommunizieren, Argumentieren und Begründen, Interpretieren und Reflektieren von Resultaten. In H. Linneweber-Lammerskitten, Fachdidaktik Mathematik (S. 179-200). Zug: Klett und Balmer.
Pfenniger, S. (2018). Sprachkompetenz im Mathematikunterricht fördern. Mit dialogischen Kurzfilmen eine Erklärung in Schülerkleingruppen erarbeiten. Unveröffentlicht.
Schmidt-Thieme, B. (2010). Fachsprache oder: Form und Funktion fachlicher Varietäten im Mathematikunterricht. In G. (. Kadunz, Sprache und Zeichen. Zur Verwendung von Linguistik und Semiotik in der Mathematikdidaktik (S. 271-304). Hildesheim: Franzbecker.
Vollmer, H. J. (2011). Schulsprachliche Kompetenzen. Zentrale Diskursfunktionen. Abgerufen am 15. 02 2019 von www.home.uni-osnabrueck.de: http://www.home.uni-osnabrueck.de/hvollmer/VollmerDF-Kurzdefinitionen.pdf