Promovendin: Melanie Jud
Keywords: kindergarten, social dynamics, peer experiences, socio-emotional competence
Gutachtende: Prof. Dr. Ariana Garrote, (PH FHNW), Prof. Dr. Elena Makarova, (Universität Basel)
Projektbeginn: HS 2025

Abstract
Der Übergang in den Kindergarten ist ein bedeutender und herausfordernder Entwicklungsschritt im Leben von Kindern, wessen Qualität Auswirkungen auf den Schulerfolg und die späteren Übergänge  hat (Carigiet et al., 2020; Rimm-Kaufman & Pianta, 2000). Deshalb ist es relevant, diesen Übergang optimal zu begleiten. Eine Unterstützung kann unter anderem durch Anpassungen von Strukturen oder Beziehungsarbeit erfolgen (Carigiet et al., 2020). Dynamische Netzwerke von Beziehungen haben einen direkten wie auch indirekten Einfluss auf die Anpassung der Kinder. Diese Annahme stützt sich auf das ökologische und dynamische Übergangsmodell, das auf der ökologischen Systemperspektive basiert (Bronfenbrenner, 1979; Rimm-Kaufman & Pianta, 2000). 

Insbesondere Lehrpersonen spielen sowohl bei der individuellen Anpassung als auch bei den Dynamiken innerhalb der Peer-Gruppe eine zentrale Rolle (Farmer et al., 2019; Kim et al., 2020; Rimm-Kaufman & Pianta, 2000). Bereits mehrere Studien haben gezeigt, dass das Verhalten von Lehrpersonen einen signifikanten Einfluss auf die akademische, verhaltensbezogene und sozio-emotionale Anpassung der Kinder hat (Everston & Weinstein, 2006; Korpershoek et al., 2016). Lehrpersonen können im Sinne einer metaphorischen «unsichtbaren Hand» aktiv in die sozialen Dynamiken in Klassenzimmern eingreifen (Farmer et al., 2011). Dieses Konzept ist unter dem Begriff Social Dynamics Management (SDM) bekannt. SDM umfasst gezielte Strategien, mit welchen Lehrpersonen die Interaktionen zwischen den Peers steuern und beeinflussen (Gest & Rodkin, 2011). Allerdings ist wenig erforscht, wie Lehrpersonen SDM konkret in der Praxis umsetzen und welche Auswirkungen die Nutzung solcher SDM-Strategien auf die Peer-Erlebnisse und sozio-emotionalen Kompetenzen der Kinder hat (Braun et al., 2019).

Damit Lehrpersonen die Interaktionen zwischen den Peers gezielt beeinflussen können, benötigen sie die Fähigkeit, die sozialen Beziehungen und Bedürfnisse der Kinder in der Gruppe genau wahrzunehmen und darauf differenziert zu reagieren (Teacher Attunement). Wenn eine Lehrperson über diese Fähigkeit verfügt, wirkt sich dies auf die sozialen Erfahrungen der Kinder aus (Farmer et al., 2019; Kim et al., 2020). Mehrere Studien haben allerdings gezeigt, dass Lehrpersonen nur ein begrenztes Wissen über die Strukturen der Peer-Gemeinschaft in ihren Klassen besitzen (Gest, 2006; Pearl et al., 2007; Rodkin & Ahn, 2009). Zudem gibt es in der Schweiz bislang keine Studien, welche den Einfluss von Lehrpersonen auf die sozialen Dynamiken im Kindergarten untersuchen, weshalb die Dissertation einen wichtigen Beitrag zur Schliessung dieser Forschungslücke leistet. 

Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage:

Wie steuern Lehrpersonen die sozialen Dynamiken im Kindergarten und welchen Einfluss hat dies auf die Peer-Erlebnisse und die sozio-emotionalen Kompetenzen der Kinder?

Im Rahmen der Dissertation wird untersucht, wie oft welche SDM-Strategien von Kindergartenlehrpersonen eingesetzt werden und inwiefern deren Nutzung von Eigenschaften der Lehrperson (z.B. Unterrichtserfahrung, Classroom Management) und Eigenschaften der Klasse (z.B. Klassengrösse, Anteil Mädchen/Knaben) beeinflusst wird. Zudem wird analysiert, inwiefern die Wahrnehmungen von Lehrpersonen und Kindern hinsichtlich der Peer-Erlebnissen im Kindergarten (Freundschaften, sozialer Status in Klasse) übereinstimmen und in welchem Ausmass diese Übereinstimmung (Teacher Attunement) durch Eigenschaften der Lehrperson vorhergesagt wird. Schliesslich wird untersucht, wie das Teacher Attunement den Einsatz von SDM-Strategien beeinflusst und welche Effekte diese Strategien auf die Peer-Erlebnisse und die Entwicklung sozio-emotionaler Kompetenzen der Kinder haben.

Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgt im Rahmen des SNF-Projekts «Anko – Ankommen im Kindergarten» unter der Leitung von Prof. Dr. Ariana Garrote und Prof. Dr. Daniel Schmerse. Im Schuljahr 2026/27 werden in Kindergärten der deutschsprachigen Kantone Klassenbeobachtungen, Lehrpersonen- und Elternbefragungen sowie Kinderbefragungen und Sprachkompetenztests durchgeführt. Die Auswertung erfolgt mithilfe eines Multilevel-Designs, bei dem die Kinder die Individualebene (Level 1) und die Kindergartengruppe die Klassenebene (Level 2) bilden. Zur statistischen Auswertung der Daten werden Multigroup- und Multilevel-Strukturgleichungsmodelle angewandt.

Durch die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen SDM und den Peer-Erlebnissen sowie sozio-emotionalen Kompetenzen der Kinder können wichtige Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden, sodass die sensible Übergangsphase in den Kindergarten durch die Lehrpersonen optimal begleitet werden kann, was auch für spätere Übergänge entscheidend ist.

Literatur
Braun, S. S., Zadzora, K. M., Miller, A. M., & Gest, S. D. (2019). Predicting elementary teachers’ efforts to manage social dynamics from classroom composition, teacher characteristics, and the early year peer ecology. Social Psychology of Education, 22(4), 795–817. https://doi.org/10.1007/s11218-019-09503-8

Bronfenbrenner, U. (1979). The ecology of human development: Experiments by nature and design. Harvard University Press.

Carigiet, T., Troesch, L. M., & Schaller, P. (2020). Gelingt der Übergang in den Kindergarten? Erkenntnisse aus einer Befragung von Kindergartenlehrpersonen und Eltern. Swiss Journal of Educational Research, 42(1), 187–209. https://doi.org/10.24452/sjer.42.1.11

Farmer, T. W., Hamm, J. V., Dawes, M., Barko-Alva, K., & Cross, J. R. (2019). Promoting inclusive communities in diverse classrooms: Teacher attunement and social dynamics management. Educational Psychologist, 54(4), 286–305. https://doi.org/10.1080/00461520.2019.1635020

Farmer, T. W., McAuliffe Lines, M., & Hamm, J. V. (2011). Revealing the invisible hand: The role of teachers in children’s peer experiences. Journal of Applied Developmental Psychology, 32(5), 247–256. https://doi.org/10.1016/j.appdev.2011.04.006

Gest, S. D. (2006). Teacher reports of children’s friendships and social groups: Agreement with peer reports and implications for studying peer similarity. Social Development. https://doi.org/10.1046/j.1467-9507.2006.00339.x

Gest, S. D., & Rodkin, P. C. (2011). Teaching practices and elementary classroom peer ecologies. Journal of Applied Developmental Psychology, 32(5), 288–296. https://doi.org/10.1016/j.appdev.2011.02.004

Kim, S., Lin, T.-J., Chen, J., Logan, J., Purtell, K. M., & Justice, L. M. (2020). Influence of teachers’ grouping strategies on children’s peer social experiences in early elementary classrooms. Frontiers in Psychology, 11, 587170. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.587170

Korpershoek, H., Harms, T., De Boer, H., Van Kuijk, M., & Doolaard, S. (2016). A meta-analysis of the effects of classroom management strategies and classroom management programs on students’ academic, behavioral, emotional, and motivational outcomes. Review of Educational Research, 86(3), 643–680. https://doi.org/10.3102/0034654315626799

Pearl, R., Leung, M. C., Van Acker, R., Farmer, T. W., & Rodkin, P. C. (2007). Fourth- and fifth-grade teachers’ awareness of their classrooms’ social networks. The Elementary School Journal, 108(1), 25–39.

Rimm-Kaufman, S. E., & Pianta, R. C. (2000). An ecological perspective on the transition to kindergarten: A theoretical framework to guide empirical research. Journal of Applied Developmental Psychology, 21(5), 491–511. https://doi.org/10.1016/S0193-3973(00)00051-4

Rodkin, P. C., & Ahn, H. J. (2009). Social networks derived from affiliations and friendships, multi-informant and self-reports: Stability, concordance, placement of aggressive and unpopular children, and centrality. Social Development, 18(3), 556–576. https://doi.org/10.1111/j.1467-9507.2008.00505.x

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