(Berufs-)biografische Professionalisierung von Lehrpersonen im Fachbereich Berufliche Orientierung

Promovendin: Corinne Joho
Keywords: Professionalisierung; Berufliche Orientierung; Biografieforschung
Gutachtende: Prof. Dr. Albert Düggeli und Prof. Dr. Elena Makarova
Projektbeginn: FS 2022

 

Thematische Einordnung:

Am Übergang von der Schule in eine weiterführende Ausbildung werden Weichen gestellt, die sowohl gesellschaftlich als auch individuell bedeutsam sind. Entsprechend werden hohe Erwartungen an die schulisch organisierte Begleitung der Berufswahlprozesse von Jugendlichen geknüpft. Mit der Implementierung des Lehrplans 21 wurde in der Schweiz dafür das fächerübergreifende Modul «Berufliche Orientierung» geschaffen. Jedoch bildet sich die grosse Bedeutung der schulischen Übergangsbegleitung auf Bachelor- und Masterstufe der Lehrpersonen-ausbildung nicht ab (vgl. Schröder 2020; Nägele & Schneitter 2016; Schaffner & Ryter 2013). Lehrpersonen sehen sich dadurch mit der Aufgabe konfrontiert, ein für die Zukunft der Jugendlichen höchst relevantes Modul zu unterrichten, für das sie in der ersten beruflichen Qualifizierungs-phase vergleichsweise wenig ausgebildet wurden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Professionalisierungsprozesse von Lehrpersonen, die im Fachbereich Berufliche Orientierung tätig sind, stattfinden.

Theoretische Verankerung:

Theoretisch verortet ist das Vorhaben in der erziehungswissenschaftlichen Biografie- und Professionalisierungsforschung. Es wird davon ausgegangen, dass Professionalisierung und auch die Frage nach dem professionellen Selbstverständnis an die Biografie der Professionellen zurückgebunden ist (vgl. Fabel 2002). Professionalisierung wird hier als (berufs-)biografischer Entwicklungsprozess verstanden, der (berufs-)lebenslang andauert (vgl. Fabel-Lamla 2018; Terhart 2014; Keller-Schneider & Hericks 2011). Aus dieser Sicht lassen sich individuelle Professionalisierungsprozesse als biographische Prozesse der Wissenskonstruktion betrachten, in die sowohl lebensweltliches Erfahrungswissen als auch in Qualifizierungsprozessen erworbenes Fachwissen einfliessen (vgl. Schwendowius 2022; Fabel-Lamla & Wiezorek 2008).

Forschungsfragen:

Im Zentrum steht die allgemeine forschungsleitende Frage nach den (berufs-)biografischen Professionalisierungsprozessen von Lehrpersonen im Fachbereich berufliche Orientierung.

  • Wie verläuft das (berufs-)biografische Werden von Lehrpersonen und das Hineinfinden in den Fachbereich Berufliche Orientierung?
  • Welche beruflichen Selbstverständnisse zeigen sich vor dem Hintergrund der (berufs-)biografischen Erfahrungen?
  • Wie gehen Lehrpersonen vor dem Hintergrund ihrer (berufs-)biografischen Erfahrungen mit den institutionellen Bedingungen um und wie wirken institutionelle Bedingungen auf ihr Selbstverständnis? 

Methodischer Zugang:

Zur Datenerhebung werden problemzentrierte, biografisch angelegte Interviews mit Lehrpersonen für Berufliche Orientierung geführt (vgl. Schütze 1983; Witzel 1985). Die Auswahl der interviewten Lehrpersonen erfolgt auf Basis des Theoretical Samplings (vgl. Glaser & Strauss 1998), bei welchem zunächst durch die Fragestellung definierte Eignungskriterien zu erfüllen sind. Die Auswertung orientiert sich am Paradigma der Grounded Theorie und erfolgt mit fallrekonstruktiven Auswertungsverfahren (vgl. Kelle & Kluge 2010).

Literatur:

Fabel-Lamla, M. (2018). Der (berufs-)biografische Professionsansatz zum Lehrerberuf. Zur Relevanz einer biografischen Perspektive in der Lehrerbildung. In Böhme, J.; Cramer, C. & Bressler, C. (Hrsg.), Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung im Widerstreit!? Verhältnisbestimmung, Herausforderungen und Perspektiven (S. 82-100). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Fabel-Lamla, M. & Wiezorek, C. (2008). Schulentwicklung im Transformationsprozess - Zum Verhältnis von Biographie und schulischen Reformprozessen. In Breidenstein G. & Schütze F. (Hrsg.), Paradoxien in der Reform der Schule. Ergebnisse qualitativer Sozialforschung (S. 327-345). Wiesbaden: VS.

Fabel, M. (2002). Rekonstruktion biographischer und professioneller Sinnstrukturen - methodische Schritte einer fallinternen Zusammenhangsanalyse. Zeitschrift für qualitative Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung, 3(2), 349-355.

Glaser, B. & Strauss, A. (1998). Grounded theory: Strategien qualitativer Forschung. Bern: Hans Huber.

Kelle, U. & Kluge S. (2010). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag.

Keller-Schneider, M. & Hericks, U. (2011). Beanspruchung, Professionalisierung und Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von LehrerInnen. In Journal für LehrerInnenbildung, 11(4), 20-31.

Nägele, C. & Schneitter, J. (2016). Schul- und Berufsorientierung in den Kantonen. Solothurn: Fachhochschule Nordwestschweiz.

Schaffner, D. & Ryter, A. (2013). Aufgabenstellung und Professionalitätsentwicklung des pädagogischen Personals in der Studien- und Berufsorientierung - Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung. In Brüggemann T. & Rahn, S. (Hrsg.), Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (S. 357-366). Münster: Waxmann.

Schröder, R. (2020). Rahmenkonzepte zur Berufsorientierung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In Brüggemann T. & Rahn, S. (Hrsg.), Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (S. 109-117). Stuttgart: utb.

Schütze, F. (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis. Kritische Zeitschrift für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 13, 283-293.

Schwendowius, D. (2015). Bildung und Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft. Biographien von Studierenden des Lehramts und der Pädagogik. Bielefeld: transcript.

Terhart, E. (2014). Forschungen zu Berufsbiographien von Lehrerinnen und Lehrern: Stichworte. In Terhart, E., Bennewitz, H. & Rothland, M. (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf S. (433-437). Münster: Waxmann.

Witzel, A. (1985). Das problemzentrierte Interview. In G. Jüttemann (Hrsg.), Qualitative Forschung in der Psychologie: Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder (S. 227-255). Weinheim: Beltz.