Autor: Dr. phil. Stephan Marti
Gutachtende: Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder (Universität Basel), Prof. Dr. Carsten Quesel (PH FHNW)
Projektabschluss: 2016

Abstract
Die Dissertation bewegt sich an der Schnittstelle von Wissenssoziologie, Organisationssoziologie und Erziehungswissenschaft. Der organisationssoziologische Befund, wonach Organisationen im Innern lediglich lose gekoppelt sind und folglich weniger rational agieren als angenommen, fand im Kontext des Schulentwicklungsdiskurses seit 1970 wenig Berücksichtigung. In den erziehungswissenschaftlichen Diskurs um Schulentwicklung hielten nur einzelne Befunde wie der Isomorphismus, die äussere Fragmentierung oder die begrenzte Rationalität Einzug. Das Konzept der 'losen Kopplung' wurde dabei stets aus seiner dialektischen Interpretation herausgelöst, 'lose Kopplung' als Gefahr von Schulentwicklung thematisiert.

Die Dissertation enthält zwei Studien. Die erste Studie widmet sich der Frage, inwiefern hinter den von Schulentwicklerinnen und Schulentwicklern monierten Probleme, Schwierigkeiten und Grenzen 'lose Kopplung' als Ursache zu verorten ist. Mittels der wissenssoziologischen Diskursanalyse wurden semantische Frames (Interpretationsschematas) von sechs gegenwärtig aktuellen Schulentwicklungsansätzen freigelegt, welche sich als spezifische Denkweisen in der Praxis objektivieren und dergestalt das Denken um Schulentwicklung prägen. Ebenfalls konnten theoretische Szenarien abgeleitet werden, wie die schulischen Akteure auf diese Objektivierungen mit der Ausgestaltung von 'loser Kopplung' reagieren könnten, um sich Autonomie zur Bewältigung von organisationaler Unsicherheit zu wahren.

Die zweite Studie widmete sich der Frage, wie diese Objektivierung aufgrund der semantischen Framesetzung in der Praxis aussieht. Exemplarisch wurde die Objektivierung der Semantik interne Evaluation untersucht und in Form von fünf Schulportraits beschrieben. Erneut stand, als Klammer für die beiden Studien, die Frage im Raum, in welcher Form sich 'lose Kopplung' aufgrund der Objektivierung – hier nun exemplarisch für den Fall der internen Evaluation – ausgestaltet. Die Daten für die zweite Studie wurden mittels qualitativer Verfahren (Interviews mit Schulleitung / Dokumentenanalyse) und einer t2-Befragung erhoben. Als Ergebnis liegen fünf Schulportraits vor, welche die Objektivierung des semantischen Frames interne Evaluation beschreiben. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass die interne Evaluation von 'loser Kopplung' betroffen ist.

Als Schlussfolgerungen aus der Dissertation wird eine Re-interpretation der monierten Probleme, Schwierigkeiten und Grenzen von Schulentwicklung unter Miteinbezug der 'losen Kopplung' vorgeschlagen. Ausserdem gilt es den Befund der 'losen Kopplung' in den weiteren Diskurs um Schulentwicklung mitaufzunehmen und eine dialektische Interpretation des Konzepts zu wahren. Die Dissertation liefert keine abschliessenden Befunde, vielmehr will sie zur weiteren Erforschung der 'losen Kopplung' im Kontext von Schulentwicklung anregen.