Fachliches und fachdidaktisches Wissen und Können von Sportlehrpersonen – Zur empirischen Struktur und Wirkung auf den Lernertrag von Schüler*innen
Autor: Dr. phil. des. Matthias Wittwer
Gutachtende: Prof. Dr. Roland Messmer, Prof. Dr. Uwe Pühse, Prof. Dr. André Gogoll
Projektdauer: 2019-2024
Die Bedeutung professioneller Kompetenzen von Lehrpersonen für den Lernfortschritt von Schüler*innen ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Thema in der Bildungsforschung geworden. Der «knowledgeable teacher hypothesis» folgend, kommt dabei insbesondere dem fachspezifischen professionellen Wissen und Können von Lehrpersonen – content knowledge (CK) und pedagogical content knowledge (PCK) – eine zentrale Bedeutung zu. Entsprechende Untersuchungen beschränken sich bislang primär auf den Mathematikunterricht. Für den Sportunterricht existierten folglich erst wenige Testinstrumente und dementsprechend auch kaum empirische Erkenntnisse. Im Rahmen der kumulativen Dissertation wurden Testinstrumente für das Fach Sport entwickelt und validiert, um im Sinne des Kaskadenmodells in der Sportdidaktik sowohl kontextfernes und kontextualisiertes fachspezifisches professionelles Wissen und Können von Lehrpersonen als auch Lernerträge von Schüler*innen zu quantifizieren. Darauf aufbauend wurden entsprechende empirische Strukturen und Wirkungszusammenhänge untersucht. Auf Seiten der Lehrpersonen wurden dazu neben klassischen MC-Tests auch Video- und Textvignetten eingesetzt. Auf Seiten der Schüler*innen wurde sportpraktisches Können in einem Prä-Post-Test-Design erhoben, um Lernerträge im Hinblick auf komplexe sportive Handlungen zu erfassen. Durchgeführte Item-, Skalen- und Strukturanalysen auf Grundlage von 181 Sportlehrpersonen sowie von 1669 Schüler*innen der Sekundarstufe I bestätigten die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der entwickelten Testinstrumente. Jedoch deuten hohe Korrelationen auf Seiten der professionellen Wissens- und Könnensdimensionen darauf hin, dass eine Ausdifferenzierung des fachspezifischen Professionswissens bei Sportlehrpersonen nur begrenzt möglich ist. Mehrebenenmodellierungen der Leistungen von Schüler*innen, die entweder in einem technisch-taktischen oder in einem technisch-gestalterischen Kompetenzbereich unterrichtet wurden, konnten zwar signifikante Leistungsverbesserungen zeigen, jedoch vermochte keine der vier differenzierten professionellen Wissensdimensionen (CK kontextfern, PCK kontextfern, CK kontextnah, PCK kontextnah) diese Lernzuwächse zu erklären. Damit stehen die Ergebnisse im Einklang mit diversen Studien im Fach Mathematik und deuten darauf hin, dass sich direkte Effekte fachspezifischen professionellen Wissens und Könnens der Lehrpersonen auf die Lernfortschritt der Schüler*innen im komplexen Gefüge von Angebot und Nutzen zu verlieren scheinen. Die Ergebnisse legen somit nahe, dass für den Unterrichtserfolg zwar ein grundlegendes und breites Professionswissen erforderlich ist, eine spezifische tiefergehende Expertise in bestimmten Kompetenzbereichen aber keinen zusätzlichen Lernerfolg für die Schüler*innen mit sich zu bringen scheint. Weitere Untersuchungen sowie insbesondere qualitative Analysen der Unterrichtspraxis sind notwendig, um ein umfassenderes Bild der Zusammenhänge zwischen professionellem Wissen und Können, Unterrichtshandeln, Unterrichtsqualität und Lernleistungen zu erhalten.