Autorin: Dr. phil. des. Carolin Bischlager-Imhof
Gutachtende: Prof. Dr. Roland Messmer (PH FHNW), Prof. Dr. Uwe Pühse (Universität Basel)
Projektdauer: 2018-2023

Abstract
Sportlehrpersonen und Sportunterricht stellten auch im Jahr 2020 und 2021 im Rahmen der Professionalisierungsdebatte intensiv diskutierte Themen des fachdidaktischen Diskurses dar (Ruin & Stibbe, 2022, pp. 7-8). In dieser Studie wurden die epistemologischen Beliefs von Sportlehrpersonen und damit die für ihren Unterricht handlungsleitenden Orientierungen untersucht. Im Fokus steht die Konstruktion von Wissen und Können im Unterricht von Sportlehrpersonen und die daraus resultierenden Vermittlungspraxen. Wie begegnen Lehrpersonen der gesellschaftlichen Praxis des Sports in ihren Unterrichtsstunden? Welche handlungsleitenden Orientierungen können ausdifferenziert werden? Wie wird der Sinngehalt von Sport(praxis) vermittelt? Welche Lesarten des Fachs Sport lassen sich im empirischen Material finden?

Die Studie ist methodisch im qualitativ-rekonstruktiven Forschungsparadigma zu verorten: Die Datenerhebung basierte auf narrativ-fundierten Experteninterviews (Flick, 2010) mit zwölf Sportlehrpersonen, die in der Forscherhaltung der Narrative Inquiry durchgeführt wurden (Messmer et al., 2023). Für die Datenauswertung erfolgte eine Methodentriangulation aus dokumentarischer Methode (Nohl, 2017) und Narrative Inquiry (Connelly & Clandinin, 1990).

Anhand der epistemologischen Überzeugungen von Sportlehrpersonen wurde gezeigt, dass Sportunterricht Grossteils an der gesellschaftlichen Praxis des Leistungssports orientiert ist. Darüber hinaus wird die Sinnvielfalt von Sport in seiner schulischen Praxis begrenzt. Reflexiver Unterricht wird dann angestrebt, wenn Lehrpersonen von einem weiten Fachverständnis ausgehen und das Ziel verfolgen, dass Schüler*innen Sportpraxis sowohl auf körperlicher als auch auf kognitiver Ebene verstehen lernen sollen. Lehr-Lern-Beliefs und epistemologische Beliefs (Fachverständnis) scheinen einander zu bedingen: Lehrpersonen, die Sportunterricht als Abbild der ausserschulischen Sportpraxis betrachten, sind davon überzeugt, dass sich Lernen als ein Prozess der Transmission von der Lehrperson zu den Schüler*innen darstellt. Gesteht die Lehrperson der Sportpraxis Deutungsoffenheit zu und hat ein weites Fachverständnis inkorporiert, dann wird sportliches Wissen und Können als eine subjektive Konstruktion verstanden und sportliche Inhalte werden auf ergebnisoffenen Lernwegen vermittelt, durch die das Problemlösen in der sportlichen Aktivität betont wird.

In dieser Studie wurde ein bisher wenig erschlossenes Thema im Schnittfeld von Sportdidaktik und empirischer Bildungsforschung bearbeitet und ein grundlegender Beitrag für das Verstehen unterrichtlichen Handelns von Sportlehrpersonen geleistet. Die Ergebnisse sollen dafür genutzt werden, die Leerstelle der domänenspezifischen Beliefs von Sportlehrpersonen zu modellieren. Durch die rekonstruierten Orientierungen in Bezug auf Fachverständnis und Lehren und Lernen werden empirische Einsichten zu impliziten Wissensdimensionen (konjunktives, atheoretisches Wissen) des Lehrpersonenhandelns im Sportunterricht gegeben.

Literatur

Connelly, F. M., & Clandinin, D. J. (1990). Stories of experience and narrative inquiry. Educational Researcher, 19, 2-14.

Flick, U. (2010). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Rowohlt.

Messmer, R., Schönfeld, K., & Jolanda, V. (2023). Narrative Matters - Narrative Inquiry als Forschungsmethode und Forschungshabitus.  In B. Zander, D. Rode, D. Schiller, & D. Wolff (Eds.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Bildung und Sport, vol 27. Springer VS.

Nohl, A.-M. (2017). Interview und Dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis (5. akt. u. erw. Auflage). Springer VS.

Ruin, S., & Stibbe, G. (2022). Physical education and physical education research. An overview of German language publications 2020-2021. Journal of Physical Education and Sport, 59(3), 2-16.