Wahl und Nutzung von gestuften Lernhilfen beim Forschenden Lernen zur Förderung der Experimentierkompetenzen

Promovendin: Andrea Denise Lüscher
Keywords: Forschendes Lernen, Lernunterstützung, gestufte Lernhilfen, Differenzierung, Metakognition, Zielorientierung, Fähigkeitsselbstkonzept, Interesse, Gender
Gutachtende: Prof. Dr. Elena Makarova (Uni Basel), Dr. Julia Arnold (PH FHNW)
Projektbeginn: FS 2020

Abstract
Thematische Einordnung
Mittels selbstständiger Durchführung naturwissenschaftlicher Untersuchungen erwerben Schülerinnen und Schüler im Forschenden Lernen Fachinhalte, wie auch disziplinspezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Was ein zentrales Ziel naturwissenschaftlicher Bildung ist. Eine Methode naturwissenschaftlicher Untersuchungen ist das Experimentieren. Unter Experimentieren ist ein hypothetisch-deduktives Verfahren zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge durch systematische Variation einer Variablen unter Kontrolle aller anderen Variablen zu verstehen. Beim Experimentieren werden an die Lernenden komplexe Anforderungen gestellt, weshalb oft Kompetenzdefizite ausgemacht werden können. Lernende zeigen bspw. geringe Kompetenzen, relevante Variablen zu identifizieren oder Variablen gezielt zu variieren. Oftmals werden mehrere Variablen gleichzeitig verändert, ohne diese zu isolieren und zu kontrollieren. Förderlich für die Weiterentwicklung der Kompetenzen werden Situationen beim Experimentieren erachtet, in denen eine Balance zwischen offenem Lernen und bedarfsorientierter direkter Instruktion gefunden wird. Eine Möglichkeit dieser bedarfsorientierter Instruktion und somit individueller Lernunterstützung bieten gestufte Lernhilfen. Bedarfsorientiert genutzte gestufte Lernhilfen differenzieren die Experimentieraufgabe und unterstützen die Schülerinnen und Schüler individuell bei der Bearbeitung. Gestufte Lernhilfen haben sich bereits als lernwirksam erwiesen. Es zeigte sich aber auch, dass diese bedarfsorientierte Wahl und Nutzung, welche für männliche und weibliche Teilnehmende unterschiedlich ausfiel, optimiert werden kann. Ursache für Hilfen-Missbrauch und Hilfen-Vermeidung können mangelndes Wissen über den Zweck der Hilfe sowie mangelnde Motivation sein. In der geplanten Studie wird daher der Einfluss des konditionalen metakognitiven Strategiewissens und der Einfluss der Zielorientierung auf das Hilfen-Wahl- und Hilfen-Nutzungs-Verhalten von gestuften Lernhilfen sowie auf die Weiterentwicklung der Experimentierkompetenzen der Schülerinnen und Schüler am Ende der Sek I beim Forschenden Lernen unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Disparitäten untersucht.

Fragestellungen
• Welchen Einfluss hat das konditionale metakognitive Strategiewissen auf das Hilfen-Wahl- und Hilfen-Nutzungs-Verhalten sowie auf den Lernzuwachs der Experimentierkompetenzen?
• Welchen Einfluss hat die Zielorientierung auf das Hilfen-Wahl- und Hilfen-Nutzungs-Verhalten sowie auf den Lernzuwachs der Experimentierkompetenzen?
• Welchen Einfluss haben geschlechtsspezifische Disparitäten auf die Zielorientierung und/oder die Hilfen-Wahl und Hilfen-Nutzung und welche Rolle spielen dabei Interesse und Fähigkeitsselbstkonzept?

Materialgrundlage
ur Beantwortung der Forschungsfragen wird eine experimentelle Interventionsstudie im Pre-Post-Design mit ca. 500 Schülerinnen und Schülern Ende Sek I durchgeführt. Anhand schriftlicher Befragungen am Tablet werden im Pre-Test das Interesse am Experimentieren, das Fähigkeitsselbstkonzept, die persönliche Zielorientierung und die Experimentierkompetenzen erhoben. Danach erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Einführung ins naturwissenschaftliche Arbeiten, die Enzymatik und in das Computerprogramm. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten anschliessend die Experimentieraufgabe einzeln an Tablets. Für die Studie wird exemplarisch die Teilkompetenz «Planen von Experimenten» fokussiert, dies anhand vier digital aufbereiteten Experimentieraufgaben im Themenbereich Enzymatik. Die Prüfung der Intervention erfolgt innerhalb der Geschlechtsgruppen in vier randomisierten Gruppen. Dabei wird der Erhalt der Treatment- und der Kontrollimpulse mit unterschiedlichen Zugängen zum Programm gesteuert.
• Kontrollimpuls: Lediglich Hinweis, dass gestufte Lernhilfen zur Verfügung stehen.
• Treatmentimpuls 1: Tipp-Karte (Flussdiagramm), mit Erläuterungen, wann welche Hilfe sinnhaft zu nutzen ist (konditionales metakognitives Strategiewissen).
• Treatmentimpuls 2: Lernziele in Bezug auf die Wahl und Nutzung der gestuften Lernhilfen sowie auf das wissenschaftliche Vorgehen (Zielorientierung).
• Treatmentimpuls 3: Kombination des Treatmentimpuls 1 (konditionales metakognitives Strategiewissen) und des Treatmentimpuls 2 (Zielorientierung). Die Hilfen-Wahl und Hilfen-Nutzung werden während der Durchführung (embedded) erfasst. Zum gleichen Zeitpunkt werden auch das Interesse am Aufgabenkontext und die persönliche Zielorientierung ermittelt. Im Post-Test werden das Interesse am fachlichen Inhalt (Enzymatik) und wiederum das Fähigkeitsselbstkonzept sowie die Experimentierkompetenzen erhoben.

Methoden der Datenauswertung
Zur Analyse der Treatment-Effekte (Impulse für konditionales metakognitives Strategiewissen und/oder Lernzielorientierung) werden faktorielle Varianzanalysen durchgeführt. Um den Einfluss geschlechtsspezifischer Disparitäten wie auch dem Interesse und des Fähigkeitsselbstkonzepts auf die Zielorientierung und/oder die Hilfen-Wahl/Hilfen-Nutzung ergründen zu können, werden Pfadanalysen resp. Strukturgleichungsmodelle herangezogen.

Literatur

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