Autor: Dr. phil. des. Lukas Ramseier
Gutachtende: Prof. Dr. Markus P. Neuenschwander PH FHNW (CH), Prof. Dr. Alexander Grob Universität Basel (CH), Prof. Dr. Dr. Diana Raufelder Universität Greifswald (D)
Projektdauer: 2021 - 2025
Abstract
Durch Kombination der Annahmen verschiedener Motivationsmodelle – insbesondere der Selbstbestimmungstheorie sowie der Erwartungs-Wert-Theorie – mit der Stage-Environment-Fit-Theorie wurde ein Prozessmodell zur Entstehung und Wirkung von Motivation in sozialen Lernwelten aufgestellt. Es postuliert, dass sich die wahrgenommene soziale Eingebundenheit eines Individuums positiv auf seine wahrgenommene Person-Umwelt-Passung (Passungswahrnehmung) auswirkt und so verschiedene motivationale Überzeugungen begünstigt. Diese motivationalen Überzeugungen, die im Rahmen des Modells genauer kategorisiert und in Selbstschemata, Erwartungen und Werte eingeteilt werden, gehen wiederum tatsächlichem Verhalten voraus.
Ziel dieser Dissertation war es, das aufgestellte Modell empirisch zu prüfen und dabei die Rolle unterschiedlicher Einflussfaktoren entlang des Entwicklungsverlaufs schulischer und beruflicher Entscheidungen zu analysieren. Dazu wurde die Wirkung sozialer Eingebundenheit auf motivationale Überzeugungen und daraus resultierende Ausbildungsentscheidungen von Jugendlichen innerhalb des Schweizer Bildungssystems analysiert.
Die Arbeit basiert auf vier empirischen Teilstudien mit insgesamt über 2000 Jugendlichen aus mehreren Schweizer Kantonen. In quantitativen Längsschnittanalysen wurden Strukturgleichungsmodelle sowie latente Wachstumskurvenmodelle eingesetzt. Studie 1 zeigte anhand von Daten aus der Sekundarstufe I, dass die Wirkung positiver Beziehungen zu Lehrpersonen auf Zielorientierungen vollständig von der Passungswahrnehmung mediiert wird. Studie 2 bestätigte signifikante Rückgänge in Passungswahrnehmung und Lernzielorientierung während des Übertritts in die Sekundarstufe I, wobei die wahrgenommene Klassengemeinschaft diesen Rückgang abschwächte. Studie 3 prüfte die Rolle von Passungswahrnehmung und Intentionen auf verschiedene Formen von Vertragsauflösungen während der Berufslehre. Es zeigten sich Effekte von Sozialisationstaktiken über Passungswahrnehmung und Intention auf tatsächliche Berufs-wechsel, nicht jedoch auf Betriebswechsel. Studie 4 untersuchte den langfristigen Einfluss der Passungswahrnehmung auf den Eintritt in die Sekundarstufe II. Hier zeigten sich fachspezifische Effekte über Selbstkonzepte und Ergebniserwartungen, insbesondere im Fach Mathematik.
Insgesamt stützen die Ergebnisse die Annahmen des postulierten Modells: Soziale Eingebundenheit wirkt auf motivationale Überzeugungen über die Passungswahrnehmung. Motivationale Überzeugungen, konkret Selbstschemata, Erwartungen und Werte, wirken wiederum auf bildungsrelevantes Verhalten. Dabei zeigen sich jedoch bereichsspezifische Unterschiede. Die Ergebnisse weisen auf eine differenzierte Wirkung motivationaler Konstrukte in verschiedenen Entwicklungsphasen und Domänen hin und unterstreichen die Bedeutung sozialer Eingebundenheit und passender Lernumwelten für Bildungsprozesse.