Autor: Dr. phil. des. Luca Preite, luca.preite@clutterfhnw.ch
Gutachtende: Prof. Dr. Albert Düggeli (PH FHNW), Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder (Universität Basel), Prof. Dr. Christine Wiezorek (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Projektdauer: 2015-2021

Abstract
Die vorliegende Dissertation untersucht aus einer subjektorientierten Perspektive Werdegänge und Lebenswelten von Jugendlichen, die im Hinblick auf ihre Berufsintegration als gefährdet gelten. Gefragt wird, wie diese Jugendlichen ihren Werdegang und ihre Lebenswelt wider diese Prognose gestalten und aufrechterhalten. Die empirische Datengrundlage bilden Gespräche mit sechsunddreissig Jugendlichen und Beobachtungen ihrer Handlungen in Ausbildung, Erwerb und Freizeit. Gemeinsam ist diesen Jugendlichen die Erfahrung des Besuchs einer Übergangsbildung beziehungsweise einer Übergangsmassnahme (Brückenangebot, Motivationssemester, Praktikum, Vorlehre). Als gefährdet gelten die Jugendlichen des Weiteren aufgrund soziodemographischer und struktureller Zuschreibungen, wie zum Beispiel einem Migrationshintergrund, einem tiefen Sozialstatus der Eltern sowie dem Besuch eines tiefen Leistungsniveaus auf der Sekundarstufe I. Ausgewertet wurden die ethnographischen Daten mittels eines individuensoziologischen Fallstudienansatzes. Die Perspektiven und Geschichten der untersuchten Jugendlichen stehen dabei nicht stellvertretend für die Gesamtheit aller gefährdeten Jugendlichen. Am Beispiel der Fallstudien lassen sich aber sehr wohl Prozesse und Bedingungen des Aufwachsens dieser Jugendlichen rekonstruieren. Als Resultat fällt erstens auf, wie konstituierend die Prognose einer gefährdeten Berufsintegration für die Werdegänge und Lebenswelten dieser Jugendlichen ist. Neben den in der Forschung gut belegten ungleichen Bildungschancen wirkt auch eine Ungleichheitssemantik mit. So verfügen diese Jugendlichen nicht nur über eine geringere Wahrscheinlichkeit, beruflich ausgebildet zu werden. Darüber hinaus sehen sie sich mit Lehrpersonen, Berufsberatungen, Case Managerinnen oder Bildungsexperten konfrontiert, die grundsätzlich an ihrer Ausbildungsreife zweifeln. Und so gelten diese Jugendlichen in der Beratungspraxis als unentschlossen, ihre Berufsvorstellungen als diffus und ihre Eltern als überfordert. All dies hinterlässt – zweitens – Spuren. Die Berufswahl wird für die befragten Jugendlichen zum abstrakten Konstrukt. Für sie ist fraglich, wie sie sich überhaupt in einen Berufswahlprozess einbringen können. Dazu kommt, dass bildungspolitisch nach wie vor von einem Lehrstellenüberhang ausgegangen wird. Unhinterfragt ist aber, wie verfügbar diese Lehrstellen für gefährdete Jugendliche tatsächlich sind. Vor diesem Hintergrund kann am Beispiel der untersuchten Fälle verständlich werden, weshalb sich die Jugendlichen in der Beratungspraxis quer stellen und lebensweltliche Werdegänge dem berufsbildenden Weg vorziehen. Sich zu widersetzen ist das, was diesen Jugendlichen als Handlungsfähigkeit bleibt, um ihren Weg allen Prognosen zum Trotz mitzugestalten.

Luca Preite