Autorin: Dr. phil. Edith Niederbacher, edith.niederbacher@clutterfhnw.ch
Gutachtende: Prof. Dr. habil. Markus P. Neuenschwander (PH FHNW), Prof. Dr. Alexander Grob (Universität Basel), Prof. Dr. Winfried Kronig (Université de Fribourg)
Projektdauer: 2017-2022

Abstract
Nationale und internationale Schulleistungsstudien bestätigen regelmässig, dass Kinder mit bestimmten familiären Herkunftsmerkmalen (z.B. niedriges elterliches Ausbildungsniveau, niedriger sozioökonomischer Status oder Fremdsprachigkeit in der Familie) geringere schulische Leistungen erbringen als ihre Mitschüler*innen, auf die diese Merkmale nicht zutreffen. Der starke Zusammenhang zwischen der familiären Herkunft und den Leistungen weist darauf hin, dass das Prinzip der Chancengleichheit verletzt wird.

Studien zeigen, dass Überzeugungen von Eltern und Lehrpersonen (z.B. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zur Unterstützung, Leistungserwartungen) direkt sowie indirekt die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern beeinflussen.

Die Autorin der vorliegenden Dissertation beabsichtigte, zu einem vertieften Verständnis beizutragen, wie verschiedene inhaltsspezifische Eltern- und Lehrpersonenüberzeugungen sowohl separat als auch in Interaktion die Entstehung bzw. Reproduktion von Leistungsdisparitäten von Schüler*innen unterschiedlicher sozialer und sprachlicher Herkunft erklären.

Auf der theoretischen Grundlage der Ansätze des «Parental Involvement» und der selbsterfüllenden Prophezeiungen wurden folgende Ziele verfolgt: Erstens wurde die Entstehung verschiedener inhaltsspezifischer Überzeugungen von Eltern und Lehrpersonen sowie deren Folgen auf Leistungen von Schüler*innen in Deutsch und Mathematik untersucht. Zweitens wurde analysiert, wie Elternüberzeugungen, vermittelt über Lehrpersonenüberzeugungen, auf Leistungen wirken. Drittens wurde überprüft, wie diese Zusammenhänge Leistungsdisparitäten bei Schüler*innen in Abhängigkeit ihrer sprachlichen und sozialen Herkunft erklären.

Basierend auf empirischen Daten aus zwei Schweizer Forschungsprojekten (längsschnittliche, quantitative Daten aus der Perspektive von Schüler*innen der Primarstufe, Eltern und Lehrpersonen) wurden vier empirische, peer-reviewte Artikel verfasst.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Überzeugungen von Eltern und Lehrpersonen mehrheitlich von familiären Herkunftsmerkmalen abhingen, wobei es je nach Herkunftsmerkmal zum Teil Unterschiede in den Zusammenhängen gab. Inhaltsspezifische Erwartungen von Lehrpersonen erklärten im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die Leistungen sowie die Anstrengungsbereitschaft der Schüler*innen. Diskrepanzen in Schulniveauerwartungen, bei niedrigerer Lehrpersonenerwartung im Vergleich zu den Eltern, wirkten sich negativ auf die Leistungen aus. Eltern- und Lehrpersonenüberzeugungen vermittelten mehrheitlich in Interaktion die Zusammenhänge zwischen Herkunftsmerkmalen und Leistungen, was die gemeinsame Wirkung von Eltern- und Lehrpersonenüberzeugungen illustrierte. Geringe Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zur Lernunterstützung von Eltern erklärten niedrige Leistungserwartungen von Lehrpersonen. Schätzten die Lehrpersonen das familiäre Umfeld eines Kindes als wenig lernförderlich ein, richteten sie tiefere Schulniveauerwartungen an die Schüler*innen.

Die Befunde liefern ein vertieftes Verständnis darüber, wie Überzeugungen von Eltern und Lehrpersonen die Entstehung von Leistungsdisparitäten zwischen Schüler*innen unterschiedlicher sozialer und sprachlicher Herkunft erklären und wie die Schule selbst bei der Entstehung von Chancenungleichheit mitbeteiligt ist.