Autorin: Dr. phil. des. Cornelia Dinsleder
Gutachtende: Prof. Dr. Daniel Wrana (FHNW), Prof. Dr. Martin Lengwiler (Universität Basel), Prof. Dr. Agnieszka Czejkowska (Universität Graz)
Projektsdauer: 2015-2019

Abstract
Die Kooperation von Lehrer*innen hat für die Entwicklung der Schulen einen zentralen Stellenwert. Die vorliegende diskursanalytische Forschungsarbeit untersucht diskursive Praktiken zur Lehrerkooperation: Einerseits in der wissenschaftlichen Literatur und andererseits in Interviews mit Lehrer*innen und Schulleiter*innen aus Schulen der Sekundarstufe I und II. Dass Lehrer*innen zu wenig kooperieren, ist eine oftmals formulierte Defizitdiagnose der vorwiegend normativ ausgerichteten Forschungsliteratur zur Lehrerkooperation. Diese Beobachtung wurde zum Ausgangspunkt, um die Aktivierung von Schule und Profession aus gouvernementalitätstheoretischer Perspektive zu analysieren. Folgende Fragen leiten die Untersuchungen: Wie verändern sich die diskursiven Praktiken in den Diskursfeldern der Lehrerkooperation, Schulentwicklung und Professionalisierung zwischen den 1960er Jahren und heute? Die Analysen der wissenschaftlichen Literatur – vorwiegend zum deutschsprachigen Raum – beleuchten eine Diskurslandkarte von wichtigen diskursiven und steuerungspolitischen Zusammenhängen zum Thema Lehrerkooperation im Kontext der Schulentwicklung und Professionalisierung von Lehrer*innen. Die Unterscheidung zwischen organisationsbezogener Kooperation und professionsbezogener Kollegialität wurde aus den Analysen der Forschungsliteratur gewonnen und fundiert die weitere Untersuchung der Interviews. Als Untersuchungsgrundlage dienen narrative Interviews mit Lehrer*innen und Schulleiter*innen von zwei österreichischen Sekundarschulen, die innerhalb eines ethnographischen Forschungszugangs von 2009 bis 2011 erhoben wurden. In der einen Schule ist eine regelmässige Zusammenarbeit der Lehrer*innen zur Normalität geworden. In der anderen Schule werden Kooperationsstrukturen aufgebaut. Folgende Forschungsfrage leitete die Interviewanalyse: Wie subjektivieren sich Lehrer*innen und Schulleiter*innen als Kooperierende bzw. Nicht-Kooperierende in Bezugnahme auf eine organisationsorientierte Schulentwicklung und einer eher kollegial ausgerichteten Professionsentwicklung?

Ein wesentliches Ergebnis ist, dass in den Interviews beide Referenzen zur Konstruktion als kooperierende/r bzw. nicht-kooperierende/r Lehrerin oder Lehrer herangezogen werden. Das kollegiale Prinzip hat einen hohen Stellenwert und verschwindet selbst in den Äusserungsakten der Lehrer*innen und des Schulleiters einer sehr „weit“ entwickelten Organisation Schule nicht, in der beispielsweise eine regelmässig stattfindende Kooperation der Lehrer*innen eine Selbstverständlichkeit ist. Abschliessend wird die These formuliert, dass es aus professionslogischer Sicht bedeutsam ist, dass Schulen und Lehrer*innen trotz einer hohen Attraktivität der Lehrerkooperation bestimmte Zielsetzungen der Organisation Schule (z.B. eine konkurrenzorientierte Vermarktungsstrategie der Schule) in begründeter Weise zurückweisen können, um auch durch «Nicht-Kooperation» eine legitime professionelle Position einzunehmen. Das ist jedoch nicht zu verwechseln mit einer unbegründeten Zurückweisung von Zielsetzungen einer gemeinsam zu gestaltenden Schule.