Subjektivationsprozesse auf dem Weg in den Lehrberuf – studentische Umgangsweisen mit den Anforderungen eines Studiums zur Kindergarten- und Unterstufenlehrperson an drei Institutionen der Lehrer*innenbildung.

Promovendin: Ezgi Güvenç
Keywords: Subjektivationsprozesse, Subjektivierung, Anerkennung, Adressierungen, Adressierungsanalyse
Gutachtende: Prof Dr. Tobias Leonhard, Prof Dr. Max Manfred Bergman
Projektbeginn: 2020

Das Forschungsvorhaben ist Teil des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojektes «Trajektorien in den Lehrberuf - Adressierungspraktiken und Narrationen im Längsschnitt des BA-Studiums Kindergarten-/Unterstufe» (TriLAN). Ziel des Promotionsvorhabens ist es zu untersuchen, wie sich berufsbezogene Subjektivationsprozesse von Studierenden des BA-Studiengangs Kindergarten-/Unterstufe in verschiedenen sozialen Situationen während des Studiums vollziehen und welchen Einfluss die Biographie der Studierenden auf diese Umgangsweisen mit situativen Anforderungen hat. Das Promotionsvorhaben untersucht das, was gemeinhin als Professionalisierungsprozess beschrieben wird aus subjektivations- bzw. adressierungstheoretischer Perspektive. Studierende werden aus dieser Perspektive an Hochschulen bzw. in Praktika in den Kindergärten und Schulen im Modus der Teilnahme an institutionellen Praktiken adressiert und damit situativ ‘zu Bestimmten gemacht’. Sie sind damit aufgerufen, sich in und zu den normativen Ordnungen des jeweiligen Feldes zu verhalten (vgl. Färber 2019, S. 77). Louis Althusser zeigt mit seinem Konzept der "Interpellation" auf, wie "Ideologie und ideologische Staatsapparate" (Althusser 1997) Subjekte anrufen. Durch diese Anrufung in Form einer Anrede oder Benennung vor anderen wird das Individuum als Subjekt konstituiert. Das Studium zu Kindergarten- und Unterstufenlehrperson beinhaltet für Studierende unabhängig von ihrer Entscheidung zu diesem Studium eine Fülle an Situationen der «Geworfenheit» (Heidegger 1967). Sie werden mit zuvor nicht absehbaren Anforderungen konfrontiert, denen sie vor dem Hintergrund ihrer Biografie begegnen (müssen). «Das Konzept der Subjektivation dient in der vorliegenden Studie der Theoretisierung der erwarteten Veränderungen bei den Studierenden durch [deren] wiederholte Teilnahme an den unterschiedlichen sozialen Praktiken der Lehrpersonenbildung» (Leonhard 2019, S.16). Die Fragen, wie Studierenden von wem und vor wem als wer angesprochen und zu wem sie damit zumindest situativ auch ‘gemacht’ werden, wie sie damit umgehen, reagieren und re-adressieren (und sich damit situativ selbst zu jemand Bestimmten ‘machen’) bilden das Zentrum des Promotionsvorhabens. Konkret werden sowohl die im Rahmen teilnehmender Beobachtung sicht- und dokumentierbaren Adressierungen zum Gegenstand der Untersuchung als auch die studentischen Umgangsweisen mit diesen vielfältigen Anforderungen des Lehrberufs, wie sie im Kontext der Hochschule und der schulischen Praktika an Studierende gestellt werden (vgl. Leonhard & Lüthi 2017, Leonhard et al. 2019). Die Ambivalenz der produktiven Unterordnung und Subjektwerdung durch Anrufung als sprachlicher Kategorie lässt sich auf dieser Basis nur durch eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen interaktiv hervorgebrachten Positionierungen rekonstruieren. Deshalb wird für die Analyse dieser (Mikro-) Prozesse die Adressierungsanalyse von Rose & Ricken (2018) zum Einsatz kommen.

Literaturverzeichnis:

Althusser, L. (1997). Ideologie und ideologische Staatsapparate. Aufsätze zur marxistischen Theorie. Hamburg: Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung.

Butler, J. (2001). Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Färber, C. (2019). Subjektivierung in der Pädagogik. Das Subjekt zwischen Ent- und Ermächtigung. In N. Ricken, R. Casale & Ch. Thompson (Hrsg.), Subjektivierung. Erziehungswissenschaftliche Theorieperspektive (S. 75-92). Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Heidegger, M. (1976). Sein und Zeit. Frankfurt a.M.: Klostermann (Original 1972)

Leonhard, T., & Lüthi, K. (2018). Auf Linie gebracht? Adressierungen und Normen der Anerkennbarkeit im Praktikum. In M. Artmann, P. Herzmann, & A. B. Liegmann (Hrsg.), Professionalisierung im Praxissemester. Beiträge qualitativer Forschung aus Bildungswissenschaft und Fachdidaktik zu Praxisphasen in der Lehrerbildung (S. 183-200). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Reh, S., & Ricken, N. (2012). Das Konzept der Adressierung. Zur Methodologie einer qualita-tivempirischen Erforschung von Subjektivation. In I. Miethe & H.-R. Müller (Hrsg.), Qualitative Bildungsforschung und Bildungstheorie (S. 35-56). Opladen: Barbara Budrich.

Rose, N., & Ricken, N (2018). Interaktionsanalyse als Adressierungsanalyse - eine Perspekti-ve der Subjektivationsforschung. In M. Heinrich & A. Wernet (Hrsg.), Rekonstruktive Bildungsforschung (S. 159-175). Wiesbaden: Springer VS.

Terhart, E. (2011). Lehrerberuf und Professionalität. Gewandeltes Begriffsverständnis - neue Herausforderungen In W. Helsper & R. Tippelt (Hrsg.), Pädagogische Professionalität (S. 202224). Weinheim: Beltz.